Korruption
David Tománek
Obwohl dieses kurze Stück von der Realität inspiriert wurde,
sind alle dargestellten Charaktere und Ereignisse frei erfunden.
Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen oder Institutionen ist
rein zufällig.
Korruption ist ein stiller Dieb, der sich in alle Bereiche
wissenschaftlicher Arbeit einschleichen und so die Wahrheit und
Unschuld der Wissenschaft beflecken kann. Aber so ist es mit allem
anderen auf der Welt. Wer will, kann die Schuld auf den Teufel
abschieben.
1. Szene: Im Labor
Schwach beleuchtetes Labor. Das Gerät brummt leise auf dem
Tisch und klettert davon Papierstreifen mit einer Kurve.
Wissenschaftler Dr. Rudolf Zástava (Rudla) und Dr. Josef Nehezký
(Pepík) steht über dem Tisch und studiert die gedruckten Daten.
Hinten wartet der Teufel: Ein verführerisches, geschminktes
Mädchen, bekleidet mit einem hautengen roten Ganzkörpertrikot, mit
Hörnern auf dem Kopf.
Rudla:
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Ist die Materialprobe schon in der Spektrometerkammer, Pepe?
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Pepe:
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Ja.
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Rudla:
|
So fang an zu messen.
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|
(Ein Papierstreifen mit einer Kurve kommt langsam aus dem
Gerät.)
|
Pepe:
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Schau Dir mal die Messdaten an, die das Gerät rausgespuckt hat. Das
soll eine Kurve sein, keine haarige Raupe! Das Rauschen ist riesig.
Das Resultat wird uns keiner glauben! Wo können wir es dann
veröffentlichen? Und wer kauft das Material von uns?
|
Rudla:
|
Keine Panik! Das alles kann man irgendwie hinkriegen. Damit sind
wir immer irgendwie durchgekommen. Und jetzt, vergiss nicht, geht
es um mehr. Es geht um eine Subvention. Um einen Zuschuss der E.U.
Das heisst echtes Geld. Dies heisst ein neues Gerät. Details müssen
wir links liegen lassen.
|
Pepe:
|
Aber wir sind doch Wissenschaftler. Leute vertrauen uns. Politiker
können um den Tisch herumreden. Wir aber können nicht lügen!
|
|
(Der Teufel kommt von hinten.)
|
Teufel:
|
Erlauchte Wissenschaftler! Meine Herren! Ihre Ergebnisse sind
bereits auf der ganzen Welt bekannt. Und Ihre neuen Daten
garantieren Ihnen sicherlich eine Beförderung, wenn nicht sogar
einen Nobelpreis. Aber man muss mit ihnen an die Öffentlichkeit,
sonst krepiert man an Armut. Warte mal – ist es
diese Kurve, um die es sich handlet? Das muss natürlich
korrigiert werden.
|
|
(Der Teufel zieht den Papierstreifen durch den
großen Trichter und verengt ihn dadurch.)
|
Teufel:
|
So sieht es viel besser aus. Dieser Vorgang wird
wissenschaftlich als Datenfilterung bezeichnet. Macht Euch keine
Sorgen. Seid Ihr scheu, mit so einem Talent an die Öffentlichkeit
zu gehen? Seid nicht naiv. Wie, denkt Ihr, machen es die anderen?
|
Pepe:
|
Ich weiß nicht. Schließlich müssen wir eine neue Generation von
Wissenschaftlern ausbilden. Sollen wir ihnen also schon in jungen
Jahren das Lügen beibringen? Und die Wahrheit ignorieren? Wer kann
dann unterscheiden, was ist und was nicht?
|
Teufel:
|
Auf diese Wahrheit und auf das, was ist und was nicht ist, pfeift
die Welt. Schlussendlich muss es Euch um den wohlverdienten Respekt
für Euer Lebenswerk gehen. Schließlich habt Ihr beide auch eine
Familie, eine Frau und Kinder. Was haben die von Euerer fabrizierten
Demut?
|
Rudla:
|
Ich denke, Du hast recht. Schließlich lügen wir nicht. Das extra
Rauschen kommt definitiv von unserer veralteten Apparatur. Wenn
die Resultate publiziert sind, sind sie ein Hit. Dann müssen wir
nicht mehr fragen, wer uns ein neuse Gerät beschafft. Das werden
wir aus Prestigegründen vom Hersteller geschenkt bekommen. Nun also
an die Figur 2 b ran, mit der besseren Kurve. So muss es doch
aussehen.
|
Pepe:
|
Soll ich den Absatz in der Diskussion dementsprechend ändern?
Und die Formulierung im Begleitbrief verschärfen?
|
Rudla:
|
Sicher doch! Wir reichen es morgen elektronisch ein.
|
2. Szene: In der Redaktion der Fachzeitschrift
Natura Communa
Ein gut beleuchtetes Büro. Redakteur Gregor sitzt hinter
einem Schreibtisch, auf dem ein hoher Stapel Manuskripte liegt.
Kollegin Jutta setzt sich lässig auf einen Stuhl vor dem
Tisch.
Jutta:
|
Was hast du da in der Hand? Eine prophetisches Pamphlet?
Worum geht es? Nun, keine Geheimnisse.
|
Gregor:
|
Hast Du schon vom neuen Nano-Superparamagneten gehört, der
durch Graphen stabilisiert wird? Laut diesem Manuskript hat dieses
System deutliche Vorteile gegenüber Oxiden, nicht nur im
Magnetismus, sondern auch punkto Luftstabilität. All dies wird
durch die Mössbauer-Spektren in Abbildung 2 b bestätigt. Wenn das
Rauschen in den Daten größer wäre, wäre ich mir nicht so
sicher. Auch Gutachter B weist auf die Möglichkeit einer
Fehlinterpretation hin. Aber es ist eher so, dass er noch nie
von der Pawlowsky-Universität gehört hat. Ich bin mir da nicht
sicher – wenn alles in Ordnung ist, dann ist es ein Hit.
|
Jutta:
|
Hättest Du keine Bedenken, es zu akzeptieren?
|
|
(Der Teufel kommt von hinten.)
|
Teufel:
|
Das sind mir aber Redakteure. Spürt Ihr nicht den Druck, der Euch
zermalmen will? Hat Euch der Vorgesetzte nicht gesagt, dass der
Impakt-Faktor des Magazins abnimmt? Publizieren sind keine
Wettspiele – es ist ein Kampf! Wollt Ihr zulassen, dass
Elesvier Euch überholt? Als Redakteure müsst Ihr auch Risiken
eingehen. Wollt Ihr, dass Elsevier als Erster den
Rekord-Superparamagnetismus veröffentlicht und Euch damit
überholt? Und damit unser Verständnis vom Magnetismus
revolutioniert? Wenn das der Boss herausfindet – glaubt Ihr
wirklich, er würde Euch beide nicht gleich feuern?
|
Jutta:
|
... anderseits, wie wär's, wenn diese Ergebnisse wirklich eine
Weltsensation auslösen würden?
|
Gregor:
|
Weißt du, das ist mir auch eingefallen. Wenn der Boss erfährt,
dass wir es trotz des Risikos akzeptiert haben, wird er uns zu
schätzen wissen. Denn wer hat diese Ergebnisse zuerst
veröffentlicht? Nicht Elsevier. Unser Journal, Natura
Communa. Hier geht es auch wirklich um unser eigenes
Überleben.
|
3. Szene: Zurück im Labor
Das Labor ist gut beleuchtet. Auf dem Tisch neben dem Gerät
stehen eine Flasche Sekt und mehrere halbleere Gläser. Rudla und
Pepe sitzen lässig am Tisch.
Rudla:
|
Nun, habe ich es dir nicht gleich gesagt? Wer zögert, frisst
nicht. Und ein faules Maul bringt nichts rein. Also haben die es
akzeptiert. Nur ein paar Korrekturen, das ist nichts.
| Pepe: |
Nun – Du hattest recht. Aber wenn sich die Leser beschweren?
Als ob unser vierzig Jahre alter Apparat wirklich so ein niedriges
Rauschen hinbringen sollte, wie wir es zeigen. Was machen wir,
wenn die nachfragen?
|
Rudla:
|
Wiederrum keine Panik mehr. Uns ist das Wurst, was in irgendwann
passiert. Jetzt haben wir einen guten Grund, in der E.U. Geld für
neue Laborausrüstung zu beantragen. Leute im Ausland schaffen so
was immer vor uns, aber jetzt haben wir ein Ergebnis, das uns eine
Geldzuschuss garantiert. Und ... die Originaldaten vom
Spektrographen kannst Du im Ofen verbrennen.
|
Pepe:
|
Was passier mit der Universität und den beiden
Forschungsinstituten? Für wen arbeiten wir eigentlich?
|
Rudla:
|
Gut, dass Du mich dran erinnerst. Mit unseren Ergebnissen und den
neuen Mitteln werden wir die beiden Institute vereinen. Wie
gefällt Dir das Akronym KAKA? Für Zentrum für Kryogene
Absorptions-Kalorimetrie Apparate?
|
Pepe:
|
Wird es nicht Probleme geben bei der Vermögensaufteilung zwischen
der Universität und diesen Instituten? Was kommt dann
KAKA zu was bleibt für Pawlowsky übrig? Werden sie nicht
revoltieren? Wird es nicht riesig Ärger geben?
|
Rudla:
|
Spekulier nicht und schreib den Projektantrag. Innerhalb der E.U.
schlagen wir vor, ein neues Forschungszentrum auf dem Gebiet des
Superparamagnetismus von Nanostrukturen zu errichten. Auf diesem
Gebiet sind wir weltweit führend, wie es durch unsere Publikation
in Natura Communa bestätigt wurde. Neben dem Fachpersonal
stehen uns zwei wissenschaftliche Institute zur Verfügung, die wir
unter dem Akronym KAKA zu einem Zentrum vereinen wollen.
Machst Du Notizen? Was habe ich zuletzt gesagt?
|
Pepe:
|
Zu KAKA vereinen.
|
Rudla:
|
Ja. Damit unterstützen wir das kreative Potenzial in unserem
Gebiet, das nicht nur der Republik, sondern der gesamten
Europäischen Union zugute kommen wird. Wie schnell kannst du
tippen?
|
Pepe:
|
Haben wir nicht eine Sekretärin dafür?
|
Rudla:
|
Das muss schnell gehen. Und auch soll es sich nicht im Fachberiech
herumsprechen. Die könnten plötzlich noch erfinderisch werden.
Wenn die E.U. es akzeptiert, und warum sollte es eigentlich nicht,
dann haben wir beim Rektor gewonnen. Und unsere Kollegen im
Fachbereich werden sich nicht trauen, uns im Weg zu stehen. Also
... wie ich denke, solltest Du die erste Version bis morgen früh
fertig haben.
|
Pepe:
|
Aber so schuften mussten wir bis jetzt nie …
|
Rudla:
|
Denk an die Zukunft. Dann haben wir ein Zentrum. Dann hast Du ein
neues Haus und einen Mercedes. Weisst Du, wieviel unsere
Publikationen alleine dem Fachbereicht eingebracht haben? Warum
sollten wir dümmer sein als die Chinesen und Koreaner? Dort sind
produktive Autoren geschätzt. Dort trägt eine gute Publikation bis
zu 100.000 in der Hand ein. Dollar.
|
Pepe:
|
Und wie wär's mit einer Zwetveröffentlichung der Ergebnisse im
Magnetismus Journal? Vielleicht mit kleinen Änderungen?
Das würde auch was reinbringen.
|
Rudla:
|
Eins nach dem anderen. Zuerst, Finanzen von der E.U. Dann
KAKA. Dann können wir Kollegen aus dem Ausland einladen.
Die berühmten, die eine Publikation nach der anderen
veröffentlichen. Die mit Publikationen in renommierten
Fachzeitschriften, die haben eine gute Erfahrung. Und die werden
uns auch Prestige reinbringen. Dann läuft es wie am Schnürchen.
Dann legen wir richtig los.
|
4. Szene: Im Diskussionsraum der European Science
Foundation (ESF)
Der Diskussionssaal ist gut beleuchtet. In der Mitte steht
ein langer Tisch mit Stühlen. Vor jedem Stuhl steht ein Sodaglas.
Ein Projektor wirft schnell wechselnde Farbbilder an die Wand. Am
Tisch sitzt der Vorsitzende der Kommission für vielversprechende,
aber riskante Projekte in der Grundlagenphysik namens McAuthrey.
Zu seiner Rechten sitzt die Vorsitzende des Zentrums für die
Rechte von Frauen und sexuell nicht-binärer E.U. Bürgern namens
Bucková. Professor Gutenheim hat das Wort.
Gutenheim:
|
Wir kommen zum Projekt EU-234-CZ-51: Neues
KAKA-Forschungszentrum in der Tschechischen Republik. Der
Autor des Antrags verweist auf die vielversprechenden Ergebnisse
seines eigenen Teams, das direkt von der Pawlovsky Universität und
indirekt von zwei verwandten Forschungszentren unterstützt wird.
Vorgeschlagen wird der Zusammenschluss der zweier
Forschungszentren und des relevanten Teils der
Pawlowsky-Universität zum KAKA-Zentrum, das auf
Superparamagnetismus von Nanostrukturen spezialisiert ist. Im
Bereich der Mössbauer-Spektroskopie ist eine neue Instrumentierung
erforderlich. Dies ist eine Kreativitäts-Spritze in diesem bisher
vernachlässigten Forschungsthema und in einer Region, die in der
Grundlagenforschung unterdurchschnittlich gefördert wurde.
|
McAuthrey:
|
Wie verlief die Gremiumsdiskussion zwischen den Gutachtern?
|
Gutenheim:
|
Angesichts der neu publizierten Ergebnisse aus der Gruppe des
Antragsstellers fiel die Meinung der Gutachter überwiegend positiv
aus. Die endgültige Abstimmung des Gremiums war 12 Ja zu 3
Nein-Stimmen. Die beantragte Fördersumme von 1,5 Millionen Euro
wurde als angemessen bewertet.
|
Buck:
|
Informieren Sie uns, bitte, über die finanzielle Höhe der
beantragten Strukturen zur Verteidigung der Rechte von Frauen und
sexuell nicht-binären Mitgliedern des Zentrums. Wie Sie aus dem
EU-L2GT-Rundschreiben wissen, müssen in EU-geförderten Zentren 10%
des Budgets für diesen Zweck reserviert werden. Weitere 12% müssen
für Bildung und Information von E.U.-Bürgern, unter besonderer
Berücksichtigung des Vorschulalters, aufgewendet werden. Wie
werden diese Tätigkeiten im Antrag konkretisiert?
|
Gutenheim:
|
Frau ... Buck, ... ich muss zugeben, dass dieses wichtige Thema in
der Gremiumsdiskussion nicht angesprochen wurde. Vielmehr sprachen
wir vom den Beitrag neuer wissenschaftlicher Ergebnisse für die
Gesellschaft...
|
Buck:
|
Keine Initiative, die die Rechte von Frauen und sexuell
nicht-binären Bürgern ignoriert, verdient Unterstützung durch die
E.U. Beantworten Sie nochmal, ob KAKA beabsichtigt, 22%
des Budgets zur Unterstützung der Frauen und der LGBTQ+-Kommunität
zu verwenden.
|
Gutenheim:
|
Ich bin mir sicher, dass KAKA alle von der E.U.
geforderten Standards respektiert und das Budget an das im
EU-L2GT-Rundschreiben festgelegte Mandat anpassen wird.
|
McAuthrey:
|
Das Projekt wird in der beantragten Höhe bewilligt. Jetzt haben
wir vielleicht Anrecht auf eine wohlverdiente Pause.
|
5. Szene: Auf einem Feld in der Nähe der
Pawlowsky-Universität
Hektik auf der Baustelle. Auf dem Neubau trägt ein Kran den
neuen Namen des KAKA-Instituts in die Höhe. Kisten mit
neuer Ausrüstung werden von Ort zu Ort transportiert.
Rudla:
|
Pepe, das hättest du dir vor zwei Jahren sicherlich nicht
vorgestellt. Was denkst du?
|
Pepe:
|
Nein, Rudla. Und Du?
|
Rudla:
|
Man muss nur pragmatisch und systematisch denken. Dann geht es.
|
Pepe:
|
Und ist es Dir nicht aufgefallen, dass all dies von einem einzigen
Ergebnis abhing, das wir damals veröffentlicht haben? Wo wir das
Rauschen irgendwie herausgefiltert haben?
|
Rudla:
|
Fang wieder nicht an zu jammern …
|
6. Szene: Im Saal der Ethikkommission der
Universität
Der lichtdurchflutete Diskussionssaals mit einem langen
Tisch in der Mitte ist eine kleinere Version des Saals im ESF. Um
den Tisch herum sitzen ältere Akademiker und Professoren von
naheliegenden Universitäten. Professor Kaplan hat das
Wort.
Kaplan:
|
Als Spezialist auf dem Gebiet war ich immer skeptisch gegenüber
den von meinen Kollegen Zástava und Nehezký veröffentlichten
Resultaten. Ich habe eine lebenslange Erfahrung mit der
Datenerfassung und ihrer Interpretation. Ob Mössbauer-Spektren
oder Temperaturschwankungen am Mont Blanc, überall haben wir es
mit systematischen und stochastischen Schwankungen vom Sollwert zu
tun. Und wie wir aus der Theorie der stochastischen Abweichungen
wissen …
|
|
(Professor Nohatý unterbricht ihn.)
|
Nohatý:
|
Schau, Franz, uns interessiert mehr, was Du aus diesen
Mössbauer-Spektren herausgestöbert hast, welche Zástava und Nehezký
veröffentlicht haben. Überall heißt es, dass man bei Mössbauer nur
duch einen Schwindel so ein niedriges Rauschen erreichen kann. Ist
es so?
|
Kaplan:
|
Nun, ich will nicht über einen Schwindel reden. Ich weiß nicht, ob
Zástava und Nehezký so tief sinken würden. Aber sie filterten die
Daten und erreichten ein unerhört geringes Rauschen. Die in
Natura Communa veröffentlichten Daten erscheinen mir sehr
unwahrscheinlich.
|
Fousatá:
|
Was Du eigentlich sagst, Kollege, ist, dass es ein Schwindel ist.
Schließlich ist Natura Communa auch nur als Mülleimer des
renommierten Magazins Natura bekannt.
|
Kaplan:
|
Ich habe über keinen Schwindel gesprochen. Aber auch habe ich
nicht die Originaldaten gesehen, welche die ganze Publikation in
dieser einen Figur dominieren. Sovielt ich weiß, sind die
Messdaten auf mysteriöse Weise verschwunden. Datenfilterung ist
bei Mössbauer jedoch ganz normal.
|
Fousatá:
|
Und diese eine Publikation brachte denen KAKA und ein
neues Haus für Rudla ein.
|
Bezbožný:
|
Wisst Ihr, liebe Kollegen, dass Einstein in seinem produktivsten
Jahr genau vier Publikationen veröffentlicht hat?
|
Fousatá:
|
Na und?
|
Bezbožný:
|
Dass Rudla eine pro Woche hinbringt. Fünfzig pro Jahr. Alle Themen
sind verscieden, aber die Spektren gleichen sich wie ein Ei dem
anderen. Also ist er entweder ein Genius besser als Einstein oder
ein Betrüger.
|
Fousatá: |
Dann hast Du recht.
|
Nohatý:
|
Wenn es Betrug ist, und daran habe ich jetzt keinen Zweifel, dann
müssen wir was tun. Hier geht es um die Integrität der
Wissenschaft. Es geht um den Ruf der Pawlowsky-Universität. Es ist
auch eine Frage der Ethik. Heben Sie die Hand, alle, die
mir zustimmen, dass dies ein Betrug ist.
|
|
(Alle heben die Hand.
Der Teufel kommt von hinten.)
|
Teufel:
|
Glaubt Ihr nicht, dass Ihr etwas voreilig handelt? Welche Beweise
habt Ihr für Eueren Betrugsvorwurf tatsächlich? Was passiert, wenn
all das nur leerer Klatsch ist? Jemanden leichtfertig zu
beschuldigen, das hat Konsequenzen. Dafür können die einen vors
Gericht bringen. Ihr kommt nicht drum herum – Vorsicht ist
am Platz!
|
|
(Alle verstummen im Schock.)
|
Nohatý:
|
Nun, jetzt haben wir es einstimmig. Aber es fehlen uns die
Original-Messdaten, ohne die wir nichts beweisen können. Letztlich
is es jedoch auch die Verantwortung des Autors, eigene
Original-Messdaten aufzubewahren. Also, wenn wir die nicht als
Betrüger entpuppen, dann können wir ihnen mindestens einen
Verstoss nachweisen gegen die Verpflichtung, eigene
Original-Messdaten aufzubewahren. Wir werden berichten, dass die
Ethikkommission einstimmig zum Schluss kam, dass Zástava und
Nehezký ihre Pflicht zur Archivierung der Original-Ergebnisse
schwerwiegend verletzt und diese Ergebnisse mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch verfälscht haben. Dies werden wir dem
Rektorat der Universität übermitteln.
|
7. Szene: Interview der KAKA-Leitung mit dem
Rektor der Pawlowsky-Universität
Hinter dem Schreibtisch sitzt der Rektor der
Pawlowsky-Universität. Rudla und Pepe sitzen auf der anderen Seite
des Tisches.
Rektor:
|
Wir haben ein Problem hier, meine Herren.
|
Rudla:
|
Von welchem Problem sprichst Du hier, Kollege Rektor? Vielleicht
gefällt Dir nicht der wachsende Ruf des KAKA-Zentrums,
das wir kürzlich mit Hilfe einer Finanzspritze aus Brüssel auf die
Beine gestellt haben? Die neue Infrastruktur und Instrumentierung
von KAKA hat unsere Universität aus dem Abgrund der
Vergessenheit herausgeholt.
|
Pepe:
|
Und das erhöhte auch das Renomee der Pawlowsky Universität. Wie
Sie wissen, wirkt sich dies auf die Verteilung des Eigentums
der Universität und des Zentrums aus.
|
Rektor:
|
Sie verlangen also noch mehr als bislang?
|
Rudla:
|
Aber sicher, Kollege Rektor. Mit der Eröffnung von KAKA
trat die Pawlovsky Universität in eine neue Phase der Geschichte
ein. In den Medien wird über die Universität nur im Zusammenhang
mit unserem Zentrum gesprochen. Dann macht es Sinn, dass
KAKA akzeptablere Bedingungen bei der Vermögensverteilung
verdient.
|
Rektor:
|
Ich habe Euch hierher gerufen wegen eines bestätigten Verdachts
auf Datenmanipulation. Und auch, weil Ihr die ursprünglichen
Messergebnisse der Öffentlichkeit verweigert, was ein schweres
Vergehen ist. Damit helft Ihr nicht dem Ruf unserer Hochschule,
sondern spielt mit ihm. Den Bericht der Ethikkommission habe ich
hier für Euch ausgedruckt.
|
Rudla:
|
Und damit kannst Du Dir ... Du weisst was abwischen.
|
Rektor:
|
Nun kommt doch zu Euch. Nicht unhöflich sein. Ihr gehört immer
noch zum Lehrkörper der Pawlowsky Universität …
|
|
(Rudla unterbricht ihn.)
|
Rudla:
|
… … die ohne KAKA langsam zugrunde gehen würde.
|
Rektor:
|
Dann wollt Ihr nicht von Eueren Forderungen abweichen?
|
Rudla:
|
Wenn die Hölle zufriert.
|
8. Szene: Diskussion des Dekans Kouba mit Kollegen der
Fakultät für Naturwissenschaften
Im Diskussionsraum, in dem zuvor die Diskussion des
Ethikausschusses stattfand, sitzen Dekan Kouba und Kolleginnen
und Kollegen der Fakultät für Naturwissenschaften an einem
Tisch.
Kouba:
|
In der Wissenschaftstätigkeit, auch an unserer Fakultät, haben wir
es mit einer Reihe von verschiedenen Problemen zu tun.
|
Součková:
|
Was meinst Du damit genau, Kollege Dekan?
|
Kouba:
|
Ich habe vor mir den Bericht der Ethikkommission Offenbar haben
die Kollegen Zástava und Nehezký gefälschte Ergebnisse publiziert.
Vielleicht systematisch gefälschte Ergebnisse. Das ist, wie Ihr
wisst, ein schweres akademisches Vergehen, das nicht ungestraft
verbleiben darf.
|
Bouček:
|
Spüre ich da nicht ein Bisschen Neid auf die Gründer des
KAKA-Zentrums, das sich so gut entwickelt?
|
|
(Von hinten kommt der Teufel.)
|
Teufel:
|
Vergesst nicht, dass Kollegen Zástava und Nehezký die Gründer von
KAKA sind, dank welchen der Ruf Ihrer Fakultät ein
internationales Niveau erreicht hat. Wollt Ihr das verlieren? Und
das Prestige, das Euch einen Vorsprung in der Finanzierung Euerer
eigenen Forschung sichert? Seid nicht naiv, dass eine
Distanzierung von eigenen Kollegen ohne Konsequenzen für Euch
verbleibt.
|
Kouba:
|
Wenn wir die Industrie wären, könnten wir das Prestige genießen.
Aber wir sind eine Universität. Wir haben die Aufgabe, die neue
Generation nicht nur wissenschaftlich, sondern auch im Charakter
zu erziehen.
|
Bouček:
|
Komm nun. Gehst Du da nicht zu weit? Der Charakter wird von der
Kirche beansprucht. Also überlassen wir den Charakter der Kirche.
Unser Hauptanliegen muss sein, unsere Studenten in der Welt
unterzubringen. Die Welt der Wissenschaft, das ist keine Amme
– das ist eine Schlacht.
|
Součková:
|
Übertreibst nicht auch Du? Vielleicht ein bisschen?
|
Kouba:
|
Für uns ist die Situation klar. Fälschung von Daten, egal wie
berühmt sie den Autor gemacht hat, darf nicht toleriert werden.
|
Bouček:
|
Obwohl wir alle davon sehr profitieren? Würdest Du gerne fünf
Jahre zurückgehen, als uns die Möglichkeit vor Augen geführt
wurde, die Fakultät für Naturwissenschaften ganz abzuschaffen? Wir
wären nicht die Ersten; In England ist es ganz normal.
|
Kouba:
|
Es geht ums Prinzip.
|
Bouček:
|
Jeder pfeift auf Prinzipien. Wenn wir KAKA unterstützen,
wird es uns inklusive Zinsen zugute kommen.
|
Součková:
|
Ich denke auch, dass wir es mit akademischer Integrität nicht
übertreiben sollten. Wir tun, als ob nichts. Nichts verlieren wir
damit.
|
9. Szene: Diskussion des Akademischen Senats mit dem
Rektor
Im selben Diskussionssaal sitzen der Rektor der Universität
und Mitglieder des Akademischen Senats an einem Tisch.
Rektor:
|
Nun, diese Situation ist so verkorkst, dass ich noch nie so was
erlebt habe. Einerseits liegt vor uns ein Dokument der
Ethikkommission, die im Einvernehmen mit Dekan Kouba einstimmig
empfiehlt, ein Disziplinarverfahren gegen die Kollegen Zástava und
Nehezký wegen Datenfälschung einzuleiten.
|
Boubatý:
|
Und andererseits?
|
Rektor:
|
Andererseits haben wir das neu gegründete Zentrum KAKA.
Und die überhöhten Anforderungen bei der Vermögensaufteilung
zwischen dem Zentrum und Universität. Wenn Zástava und Nehezký
ihre Publikationen nicht als kugelsicheren Schutzschild zur Schau
stellen würden, hätten sie nicht eine so starke Unterstützung
ihrer Kollegen.
|
Boubatý:
|
Aber sie verwenden es als Zeichen ihres wissenschaftlichen Niveaus.
|
Rektor:
|
Ja, auch in unserer Fakultät. Das ist eben das Problem. Wie geht
es weiter? Der Dekan besteht darauf, dass sich die Universität und
die Wissenschaftler klar von jedem Korruptionsverdacht
distanzieren müssen. Wenn wir den Gründer von KAKA wegen
Datenfälschung vor ein akademisches Gericht bringen, wofür wir
keine handfesten Beweise haben, dann ist die Universität der
Verlierer und KAKA schnappt sich den Löwenanteil des
Eigentums.
|
|
(Mitglieder des Akademischen Senats gehen langsam weg,
einer nach dem anderen.
Nur der erschütterte Rektor bleibt am Tisch sitzen.)
|
Rektor:
|
Worauf habe ich mich da eingelassen? Das ist eine teuflisch
verflixte Situation.
|
|
(Der Teufel kommt von hinten.)
|
Teufel:
|
Genau meine Rede. Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es
gekocht wird. Was haben wir da? Einen Dekan, der ethische
Prinzipien über alles erhebt. Wie viele Leute stehen hinter ihm?
|
Rektor:
|
Nun, vielleicht ein paar Physiker. Mehr nicht.
|
Teufel:
|
Dann kann er Dir also nichts anhaben. Anderseits haben wir die
Leute, die aus der E.U. Unterstützung für ihr neues Zentrum
heraufbeschworen haben. Unter Wissenschaftlern sind die ganz
bekannt. Auch wenn sie ihren Ruhm durch eine gafälschte
Publikation erreicht haben.
|
Rektor:
|
Aber darum geht es doch!
|
Teufel:
|
Das interessiert niemand. Zástava und Nehezký repräsentieren das
Zentrum und genießen eine grosse Unterstützung, vor allem wegen
ihrem Einfluss. Diese Unterstützung haben sie von der Mehrheit
ihrer Kollegen. Sie verfolgen ihr Ziel und räumen alle Gegner
einfach weg. Sie haben auch ziemlich lange Finger. Denen willst du
dich stellen?
|
Rektor:
|
Das möchte ich am liebsten vermeiden.
|
Teufel:
|
Also nimm meinen Rat. Du feuerst den Dekan und machst Zástava und
Nehezký eine Freude. Die Fakultät wird Dir beistimmen und der
lokale Streit wird sich legen. Du wirst sehen!
|
10. Szene: Gespräch des Rektors mit dem Dekan der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät dessen Entlassung
von der Pawlowsky Universität
Hinter dem Schreibtisch sitzt der Rektor der
Pawlowsky Universität. Dekan Kouba sitzt auf der anderen Seite des
Tisches.
Rektor:
|
Zuerst möchte ich mich, lieber Kollege, bei Dir für Deinen Einsatz
als Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät
unserer Universität herzlich bedanken.
|
Kouba:
|
Wovon redest Du, bitte?
|
Rektor:
|
Gespräche zwischen Verträtern unserer Universität und dem
KAKA- Zentrum sind stecken geblieben. Wir haben versucht,
die Meinungenen auf verschiedene Weise zusammenzubringen, aber
ohne Erfolg. Ich weiß, dass es Dir darum geht, Verstöße gegen die
wissenschaftliche Integrität zu ahnden.
|
Kouba:
|
Ja, aber ist es nicht das Wichtigste an der Uni? Wenn wir die
Wahrheit nicht verteidigen wer übernimmt diese Aufgabe von
uns?
|
Rektor:
|
Sicher, Du hast recht. Aber für uns an der Universität geht es ums
Überleben. Ob die Ursache der Spaltung zwischen dem
KAKA-Zentrum und der Fakultät ein ethischer Verstoß oder
ein Streit um die Eigentumsverteilung ist – wir müssen
dieser Spaltung Herr werden, oder unsere Universität wird
auseinanderfallen. Und Du bestehst in Deiner Funktion als Dekan
weiterhin auf Deiner Position als Schutzengel der Wahrheit, welche
niemanden interessiert.
|
Kouba:
|
Glaubst Du wirklich, Kollege Rektor, dass niemand?
|
Rektor:
|
Wie dem auch sei, ich muss der ganzen Universität zuliebe
pragmatisch sein. Und deshalb entlasse ich Dich, Kollege Kouba,
von Deinem Amt als Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen
Fakultät der Pawlowsky Universität.
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