Korruption

David Tománek

Obwohl dieses kurze Stück von der Realität inspiriert wurde, sind alle dargestellten Charaktere und Ereignisse frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen oder Institutionen ist rein zufällig.

Korruption ist ein stiller Dieb, der sich in alle Bereiche wissenschaftlicher Arbeit einschleichen und so die Wahrheit und Unschuld der Wissenschaft beflecken kann. Aber so ist es mit allem anderen auf der Welt. Wer will, kann die Schuld auf den Teufel abschieben.


1. Szene: Im Labor

Schwach beleuchtetes Labor. Das Gerät brummt leise auf dem Tisch und klettert davon Papierstreifen mit einer Kurve. Wissenschaftler Dr. Rudolf Zástava (Rudla) und Dr. Josef Nehezký (Pepík) steht über dem Tisch und studiert die gedruckten Daten. Hinten wartet der Teufel: Ein verführerisches, geschminktes Mädchen, bekleidet mit einem hautengen roten Ganzkörpertrikot, mit Hörnern auf dem Kopf.

Rudla: Ist die Materialprobe schon in der Spektrometerkammer, Pepe?
Pepe: Ja.
Rudla: So fang an zu messen.
       (Ein Papierstreifen mit einer Kurve kommt langsam aus dem Gerät.)
Pepe: Schau Dir mal die Messdaten an, die das Gerät rausgespuckt hat. Das soll eine Kurve sein, keine haarige Raupe! Das Rauschen ist riesig. Das Resultat wird uns keiner glauben! Wo können wir es dann veröffentlichen? Und wer kauft das Material von uns?
Rudla: Keine Panik! Das alles kann man irgendwie hinkriegen. Damit sind wir immer irgendwie durchgekommen. Und jetzt, vergiss nicht, geht es um mehr. Es geht um eine Subvention. Um einen Zuschuss der E.U. Das heisst echtes Geld. Dies heisst ein neues Gerät. Details müssen wir links liegen lassen.
Pepe: Aber wir sind doch Wissenschaftler. Leute vertrauen uns. Politiker können um den Tisch herumreden. Wir aber können nicht lügen!
       (Der Teufel kommt von hinten.)
Teufel: Erlauchte Wissenschaftler! Meine Herren! Ihre Ergebnisse sind bereits auf der ganzen Welt bekannt. Und Ihre neuen Daten garantieren Ihnen sicherlich eine Beförderung, wenn nicht sogar einen Nobelpreis. Aber man muss mit ihnen an die Öffentlichkeit, sonst krepiert man an Armut. Warte mal – ist es diese Kurve, um die es sich handlet? Das muss natürlich korrigiert werden.
       (Der Teufel zieht den Papierstreifen durch den
      großen Trichter und verengt ihn dadurch.)
Teufel: So sieht es viel besser aus. Dieser Vorgang wird wissenschaftlich als Datenfilterung bezeichnet. Macht Euch keine Sorgen. Seid Ihr scheu, mit so einem Talent an die Öffentlichkeit zu gehen? Seid nicht naiv. Wie, denkt Ihr, machen es die anderen?
Pepe: Ich weiß nicht. Schließlich müssen wir eine neue Generation von Wissenschaftlern ausbilden. Sollen wir ihnen also schon in jungen Jahren das Lügen beibringen? Und die Wahrheit ignorieren? Wer kann dann unterscheiden, was ist und was nicht?
Teufel: Auf diese Wahrheit und auf das, was ist und was nicht ist, pfeift die Welt. Schlussendlich muss es Euch um den wohlverdienten Respekt für Euer Lebenswerk gehen. Schließlich habt Ihr beide auch eine Familie, eine Frau und Kinder. Was haben die von Euerer fabrizierten Demut?
Rudla: Ich denke, Du hast recht. Schließlich lügen wir nicht. Das extra Rauschen kommt definitiv von unserer veralteten Apparatur. Wenn die Resultate publiziert sind, sind sie ein Hit. Dann müssen wir nicht mehr fragen, wer uns ein neuse Gerät beschafft. Das werden wir aus Prestigegründen vom Hersteller geschenkt bekommen. Nun also an die Figur 2 b ran, mit der besseren Kurve. So muss es doch aussehen.
Pepe: Soll ich den Absatz in der Diskussion dementsprechend ändern? Und die Formulierung im Begleitbrief verschärfen?
Rudla: Sicher doch! Wir reichen es morgen elektronisch ein.


2. Szene: In der Redaktion der Fachzeitschrift Natura Communa

Ein gut beleuchtetes Büro. Redakteur Gregor sitzt hinter einem Schreibtisch, auf dem ein hoher Stapel Manuskripte liegt. Kollegin Jutta setzt sich lässig auf einen Stuhl vor dem Tisch.

Jutta: Was hast du da in der Hand? Eine prophetisches Pamphlet? Worum geht es? Nun, keine Geheimnisse.
Gregor: Hast Du schon vom neuen Nano-Superparamagneten gehört, der durch Graphen stabilisiert wird? Laut diesem Manuskript hat dieses System deutliche Vorteile gegenüber Oxiden, nicht nur im Magnetismus, sondern auch punkto Luftstabilität. All dies wird durch die Mössbauer-Spektren in Abbildung 2 b bestätigt. Wenn das Rauschen in den Daten größer wäre, wäre ich mir nicht so sicher. Auch Gutachter B weist auf die Möglichkeit einer Fehlinterpretation hin. Aber es ist eher so, dass er noch nie von der Pawlowsky-Universität gehört hat. Ich bin mir da nicht sicher – wenn alles in Ordnung ist, dann ist es ein Hit.
Jutta: Hättest Du keine Bedenken, es zu akzeptieren?
       (Der Teufel kommt von hinten.)
Teufel: Das sind mir aber Redakteure. Spürt Ihr nicht den Druck, der Euch zermalmen will? Hat Euch der Vorgesetzte nicht gesagt, dass der Impakt-Faktor des Magazins abnimmt? Publizieren sind keine Wettspiele – es ist ein Kampf! Wollt Ihr zulassen, dass Elesvier Euch überholt? Als Redakteure müsst Ihr auch Risiken eingehen. Wollt Ihr, dass Elsevier als Erster den Rekord-Superparamagnetismus veröffentlicht und Euch damit überholt? Und damit unser Verständnis vom Magnetismus revolutioniert? Wenn das der Boss herausfindet – glaubt Ihr wirklich, er würde Euch beide nicht gleich feuern?
Jutta: ... anderseits, wie wär's, wenn diese Ergebnisse wirklich eine Weltsensation auslösen würden?
Gregor: Weißt du, das ist mir auch eingefallen. Wenn der Boss erfährt, dass wir es trotz des Risikos akzeptiert haben, wird er uns zu schätzen wissen. Denn wer hat diese Ergebnisse zuerst veröffentlicht? Nicht Elsevier. Unser Journal, Natura Communa. Hier geht es auch wirklich um unser eigenes Überleben.


3. Szene: Zurück im Labor

Das Labor ist gut beleuchtet. Auf dem Tisch neben dem Gerät stehen eine Flasche Sekt und mehrere halbleere Gläser. Rudla und Pepe sitzen lässig am Tisch.

Rudla: Nun, habe ich es dir nicht gleich gesagt? Wer zögert, frisst nicht. Und ein faules Maul bringt nichts rein. Also haben die es akzeptiert. Nur ein paar Korrekturen, das ist nichts.
Pepe: Nun – Du hattest recht. Aber wenn sich die Leser beschweren? Als ob unser vierzig Jahre alter Apparat wirklich so ein niedriges Rauschen hinbringen sollte, wie wir es zeigen. Was machen wir, wenn die nachfragen?
Rudla: Wiederrum keine Panik mehr. Uns ist das Wurst, was in irgendwann passiert. Jetzt haben wir einen guten Grund, in der E.U. Geld für neue Laborausrüstung zu beantragen. Leute im Ausland schaffen so was immer vor uns, aber jetzt haben wir ein Ergebnis, das uns eine Geldzuschuss garantiert. Und ... die Originaldaten vom Spektrographen kannst Du im Ofen verbrennen.
Pepe: Was passier mit der Universität und den beiden Forschungsinstituten? Für wen arbeiten wir eigentlich?
Rudla: Gut, dass Du mich dran erinnerst. Mit unseren Ergebnissen und den neuen Mitteln werden wir die beiden Institute vereinen. Wie gefällt Dir das Akronym KAKA? Für Zentrum für Kryogene Absorptions-Kalorimetrie Apparate?
Pepe: Wird es nicht Probleme geben bei der Vermögensaufteilung zwischen der Universität und diesen Instituten? Was kommt dann KAKA zu was bleibt für Pawlowsky übrig? Werden sie nicht revoltieren? Wird es nicht riesig Ärger geben?
Rudla: Spekulier nicht und schreib den Projektantrag. Innerhalb der E.U. schlagen wir vor, ein neues Forschungszentrum auf dem Gebiet des Superparamagnetismus von Nanostrukturen zu errichten. Auf diesem Gebiet sind wir weltweit führend, wie es durch unsere Publikation in Natura Communa bestätigt wurde. Neben dem Fachpersonal stehen uns zwei wissenschaftliche Institute zur Verfügung, die wir unter dem Akronym KAKA zu einem Zentrum vereinen wollen. Machst Du Notizen? Was habe ich zuletzt gesagt?
Pepe: Zu KAKA vereinen.
Rudla: Ja. Damit unterstützen wir das kreative Potenzial in unserem Gebiet, das nicht nur der Republik, sondern der gesamten Europäischen Union zugute kommen wird. Wie schnell kannst du tippen?
Pepe: Haben wir nicht eine Sekretärin dafür?
Rudla: Das muss schnell gehen. Und auch soll es sich nicht im Fachberiech herumsprechen. Die könnten plötzlich noch erfinderisch werden. Wenn die E.U. es akzeptiert, und warum sollte es eigentlich nicht, dann haben wir beim Rektor gewonnen. Und unsere Kollegen im Fachbereich werden sich nicht trauen, uns im Weg zu stehen. Also ... wie ich denke, solltest Du die erste Version bis morgen früh fertig haben.
Pepe: Aber so schuften mussten wir bis jetzt nie …
Rudla: Denk an die Zukunft. Dann haben wir ein Zentrum. Dann hast Du ein neues Haus und einen Mercedes. Weisst Du, wieviel unsere Publikationen alleine dem Fachbereicht eingebracht haben? Warum sollten wir dümmer sein als die Chinesen und Koreaner? Dort sind produktive Autoren geschätzt. Dort trägt eine gute Publikation bis zu 100.000 in der Hand ein. Dollar.
Pepe: Und wie wär's mit einer Zwetveröffentlichung der Ergebnisse im Magnetismus Journal? Vielleicht mit kleinen Änderungen? Das würde auch was reinbringen.
Rudla: Eins nach dem anderen. Zuerst, Finanzen von der E.U. Dann KAKA. Dann können wir Kollegen aus dem Ausland einladen. Die berühmten, die eine Publikation nach der anderen veröffentlichen. Die mit Publikationen in renommierten Fachzeitschriften, die haben eine gute Erfahrung. Und die werden uns auch Prestige reinbringen. Dann läuft es wie am Schnürchen. Dann legen wir richtig los.


4. Szene: Im Diskussionsraum der European Science Foundation (ESF)

Der Diskussionssaal ist gut beleuchtet. In der Mitte steht ein langer Tisch mit Stühlen. Vor jedem Stuhl steht ein Sodaglas. Ein Projektor wirft schnell wechselnde Farbbilder an die Wand. Am Tisch sitzt der Vorsitzende der Kommission für vielversprechende, aber riskante Projekte in der Grundlagenphysik namens McAuthrey. Zu seiner Rechten sitzt die Vorsitzende des Zentrums für die Rechte von Frauen und sexuell nicht-binärer E.U. Bürgern namens Bucková. Professor Gutenheim hat das Wort.

Gutenheim: Wir kommen zum Projekt EU-234-CZ-51: Neues KAKA-Forschungszentrum in der Tschechischen Republik. Der Autor des Antrags verweist auf die vielversprechenden Ergebnisse seines eigenen Teams, das direkt von der Pawlovsky Universität und indirekt von zwei verwandten Forschungszentren unterstützt wird. Vorgeschlagen wird der Zusammenschluss der zweier Forschungszentren und des relevanten Teils der Pawlowsky-Universität zum KAKA-Zentrum, das auf Superparamagnetismus von Nanostrukturen spezialisiert ist. Im Bereich der Mössbauer-Spektroskopie ist eine neue Instrumentierung erforderlich. Dies ist eine Kreativitäts-Spritze in diesem bisher vernachlässigten Forschungsthema und in einer Region, die in der Grundlagenforschung unterdurchschnittlich gefördert wurde.
McAuthrey: Wie verlief die Gremiumsdiskussion zwischen den Gutachtern?
Gutenheim: Angesichts der neu publizierten Ergebnisse aus der Gruppe des Antragsstellers fiel die Meinung der Gutachter überwiegend positiv aus. Die endgültige Abstimmung des Gremiums war 12 Ja zu 3 Nein-Stimmen. Die beantragte Fördersumme von 1,5 Millionen Euro wurde als angemessen bewertet.
Buck: Informieren Sie uns, bitte, über die finanzielle Höhe der beantragten Strukturen zur Verteidigung der Rechte von Frauen und sexuell nicht-binären Mitgliedern des Zentrums. Wie Sie aus dem EU-L2GT-Rundschreiben wissen, müssen in EU-geförderten Zentren 10% des Budgets für diesen Zweck reserviert werden. Weitere 12% müssen für Bildung und Information von E.U.-Bürgern, unter besonderer Berücksichtigung des Vorschulalters, aufgewendet werden. Wie werden diese Tätigkeiten im Antrag konkretisiert?
Gutenheim: Frau ... Buck, ... ich muss zugeben, dass dieses wichtige Thema in der Gremiumsdiskussion nicht angesprochen wurde. Vielmehr sprachen wir vom den Beitrag neuer wissenschaftlicher Ergebnisse für die Gesellschaft...
Buck: Keine Initiative, die die Rechte von Frauen und sexuell nicht-binären Bürgern ignoriert, verdient Unterstützung durch die E.U. Beantworten Sie nochmal, ob KAKA beabsichtigt, 22% des Budgets zur Unterstützung der Frauen und der LGBTQ+-Kommunität zu verwenden.
Gutenheim: Ich bin mir sicher, dass KAKA alle von der E.U. geforderten Standards respektiert und das Budget an das im EU-L2GT-Rundschreiben festgelegte Mandat anpassen wird.
McAuthrey: Das Projekt wird in der beantragten Höhe bewilligt. Jetzt haben wir vielleicht Anrecht auf eine wohlverdiente Pause.


5. Szene: Auf einem Feld in der Nähe der Pawlowsky-Universität

Hektik auf der Baustelle. Auf dem Neubau trägt ein Kran den neuen Namen des KAKA-Instituts in die Höhe. Kisten mit neuer Ausrüstung werden von Ort zu Ort transportiert.

Rudla: Pepe, das hättest du dir vor zwei Jahren sicherlich nicht vorgestellt. Was denkst du?
Pepe: Nein, Rudla. Und Du?
Rudla: Man muss nur pragmatisch und systematisch denken. Dann geht es.
Pepe: Und ist es Dir nicht aufgefallen, dass all dies von einem einzigen Ergebnis abhing, das wir damals veröffentlicht haben? Wo wir das Rauschen irgendwie herausgefiltert haben?
Rudla: Fang wieder nicht an zu jammern …


6. Szene: Im Saal der Ethikkommission der Universität

Der lichtdurchflutete Diskussionssaals mit einem langen Tisch in der Mitte ist eine kleinere Version des Saals im ESF. Um den Tisch herum sitzen ältere Akademiker und Professoren von naheliegenden Universitäten. Professor Kaplan hat das Wort.

Kaplan: Als Spezialist auf dem Gebiet war ich immer skeptisch gegenüber den von meinen Kollegen Zástava und Nehezký veröffentlichten Resultaten. Ich habe eine lebenslange Erfahrung mit der Datenerfassung und ihrer Interpretation. Ob Mössbauer-Spektren oder Temperaturschwankungen am Mont Blanc, überall haben wir es mit systematischen und stochastischen Schwankungen vom Sollwert zu tun. Und wie wir aus der Theorie der stochastischen Abweichungen wissen …
       (Professor Nohatý unterbricht ihn.)
Nohatý: Schau, Franz, uns interessiert mehr, was Du aus diesen Mössbauer-Spektren herausgestöbert hast, welche Zástava und Nehezký veröffentlicht haben. Überall heißt es, dass man bei Mössbauer nur duch einen Schwindel so ein niedriges Rauschen erreichen kann. Ist es so?
Kaplan: Nun, ich will nicht über einen Schwindel reden. Ich weiß nicht, ob Zástava und Nehezký so tief sinken würden. Aber sie filterten die Daten und erreichten ein unerhört geringes Rauschen. Die in Natura Communa veröffentlichten Daten erscheinen mir sehr unwahrscheinlich.
Fousatá: Was Du eigentlich sagst, Kollege, ist, dass es ein Schwindel ist. Schließlich ist Natura Communa auch nur als Mülleimer des renommierten Magazins Natura bekannt.
Kaplan: Ich habe über keinen Schwindel gesprochen. Aber auch habe ich nicht die Originaldaten gesehen, welche die ganze Publikation in dieser einen Figur dominieren. Sovielt ich weiß, sind die Messdaten auf mysteriöse Weise verschwunden. Datenfilterung ist bei Mössbauer jedoch ganz normal.
Fousatá: Und diese eine Publikation brachte denen KAKA und ein neues Haus für Rudla ein.
Bezbožný: Wisst Ihr, liebe Kollegen, dass Einstein in seinem produktivsten Jahr genau vier Publikationen veröffentlicht hat?
Fousatá: Na und?
Bezbožný: Dass Rudla eine pro Woche hinbringt. Fünfzig pro Jahr. Alle Themen sind verscieden, aber die Spektren gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Also ist er entweder ein Genius besser als Einstein oder ein Betrüger.
Fousatá: Dann hast Du recht.
Nohatý: Wenn es Betrug ist, und daran habe ich jetzt keinen Zweifel, dann müssen wir was tun. Hier geht es um die Integrität der Wissenschaft. Es geht um den Ruf der Pawlowsky-Universität. Es ist auch eine Frage der Ethik. Heben Sie die Hand, alle, die mir zustimmen, dass dies ein Betrug ist.
       (Alle heben die Hand.
      Der Teufel kommt von hinten.)
Teufel: Glaubt Ihr nicht, dass Ihr etwas voreilig handelt? Welche Beweise habt Ihr für Eueren Betrugsvorwurf tatsächlich? Was passiert, wenn all das nur leerer Klatsch ist? Jemanden leichtfertig zu beschuldigen, das hat Konsequenzen. Dafür können die einen vors Gericht bringen. Ihr kommt nicht drum herum – Vorsicht ist am Platz!
       (Alle verstummen im Schock.)
Nohatý: Nun, jetzt haben wir es einstimmig. Aber es fehlen uns die Original-Messdaten, ohne die wir nichts beweisen können. Letztlich is es jedoch auch die Verantwortung des Autors, eigene Original-Messdaten aufzubewahren. Also, wenn wir die nicht als Betrüger entpuppen, dann können wir ihnen mindestens einen Verstoss nachweisen gegen die Verpflichtung, eigene Original-Messdaten aufzubewahren. Wir werden berichten, dass die Ethikkommission einstimmig zum Schluss kam, dass Zástava und Nehezký ihre Pflicht zur Archivierung der Original-Ergebnisse schwerwiegend verletzt und diese Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit auch verfälscht haben. Dies werden wir dem Rektorat der Universität übermitteln.


7. Szene: Interview der KAKA-Leitung mit dem Rektor der Pawlowsky-Universität

Hinter dem Schreibtisch sitzt der Rektor der Pawlowsky-Universität. Rudla und Pepe sitzen auf der anderen Seite des Tisches.

Rektor: Wir haben ein Problem hier, meine Herren.
Rudla: Von welchem Problem sprichst Du hier, Kollege Rektor? Vielleicht gefällt Dir nicht der wachsende Ruf des KAKA-Zentrums, das wir kürzlich mit Hilfe einer Finanzspritze aus Brüssel auf die Beine gestellt haben? Die neue Infrastruktur und Instrumentierung von KAKA hat unsere Universität aus dem Abgrund der Vergessenheit herausgeholt.
Pepe: Und das erhöhte auch das Renomee der Pawlowsky Universität. Wie Sie wissen, wirkt sich dies auf die Verteilung des Eigentums der Universität und des Zentrums aus.
Rektor: Sie verlangen also noch mehr als bislang?
Rudla: Aber sicher, Kollege Rektor. Mit der Eröffnung von KAKA trat die Pawlovsky Universität in eine neue Phase der Geschichte ein. In den Medien wird über die Universität nur im Zusammenhang mit unserem Zentrum gesprochen. Dann macht es Sinn, dass KAKA akzeptablere Bedingungen bei der Vermögensverteilung verdient.
Rektor: Ich habe Euch hierher gerufen wegen eines bestätigten Verdachts auf Datenmanipulation. Und auch, weil Ihr die ursprünglichen Messergebnisse der Öffentlichkeit verweigert, was ein schweres Vergehen ist. Damit helft Ihr nicht dem Ruf unserer Hochschule, sondern spielt mit ihm. Den Bericht der Ethikkommission habe ich hier für Euch ausgedruckt.
Rudla: Und damit kannst Du Dir ... Du weisst was abwischen.
Rektor: Nun kommt doch zu Euch. Nicht unhöflich sein. Ihr gehört immer noch zum Lehrkörper der Pawlowsky Universität …
       (Rudla unterbricht ihn.)
Rudla: … … die ohne KAKA langsam zugrunde gehen würde.
Rektor: Dann wollt Ihr nicht von Eueren Forderungen abweichen?
Rudla: Wenn die Hölle zufriert.


8. Szene: Diskussion des Dekans Kouba mit Kollegen der Fakultät für Naturwissenschaften

Im Diskussionsraum, in dem zuvor die Diskussion des Ethikausschusses stattfand, sitzen Dekan Kouba und Kolleginnen und Kollegen der Fakultät für Naturwissenschaften an einem Tisch.

Kouba: In der Wissenschaftstätigkeit, auch an unserer Fakultät, haben wir es mit einer Reihe von verschiedenen Problemen zu tun.
Součková: Was meinst Du damit genau, Kollege Dekan?
Kouba: Ich habe vor mir den Bericht der Ethikkommission Offenbar haben die Kollegen Zástava und Nehezký gefälschte Ergebnisse publiziert. Vielleicht systematisch gefälschte Ergebnisse. Das ist, wie Ihr wisst, ein schweres akademisches Vergehen, das nicht ungestraft verbleiben darf.
Bouček: Spüre ich da nicht ein Bisschen Neid auf die Gründer des KAKA-Zentrums, das sich so gut entwickelt?
       (Von hinten kommt der Teufel.)
Teufel: Vergesst nicht, dass Kollegen Zástava und Nehezký die Gründer von KAKA sind, dank welchen der Ruf Ihrer Fakultät ein internationales Niveau erreicht hat. Wollt Ihr das verlieren? Und das Prestige, das Euch einen Vorsprung in der Finanzierung Euerer eigenen Forschung sichert? Seid nicht naiv, dass eine Distanzierung von eigenen Kollegen ohne Konsequenzen für Euch verbleibt.
Kouba: Wenn wir die Industrie wären, könnten wir das Prestige genießen. Aber wir sind eine Universität. Wir haben die Aufgabe, die neue Generation nicht nur wissenschaftlich, sondern auch im Charakter zu erziehen.
Bouček: Komm nun. Gehst Du da nicht zu weit? Der Charakter wird von der Kirche beansprucht. Also überlassen wir den Charakter der Kirche. Unser Hauptanliegen muss sein, unsere Studenten in der Welt unterzubringen. Die Welt der Wissenschaft, das ist keine Amme – das ist eine Schlacht.
Součková: Übertreibst nicht auch Du? Vielleicht ein bisschen?
Kouba: Für uns ist die Situation klar. Fälschung von Daten, egal wie berühmt sie den Autor gemacht hat, darf nicht toleriert werden.
Bouček: Obwohl wir alle davon sehr profitieren? Würdest Du gerne fünf Jahre zurückgehen, als uns die Möglichkeit vor Augen geführt wurde, die Fakultät für Naturwissenschaften ganz abzuschaffen? Wir wären nicht die Ersten; In England ist es ganz normal.
Kouba: Es geht ums Prinzip.
Bouček: Jeder pfeift auf Prinzipien. Wenn wir KAKA unterstützen, wird es uns inklusive Zinsen zugute kommen.
Součková: Ich denke auch, dass wir es mit akademischer Integrität nicht übertreiben sollten. Wir tun, als ob nichts. Nichts verlieren wir damit.


9. Szene: Diskussion des Akademischen Senats mit dem Rektor

Im selben Diskussionssaal sitzen der Rektor der Universität und Mitglieder des Akademischen Senats an einem Tisch.

Rektor: Nun, diese Situation ist so verkorkst, dass ich noch nie so was erlebt habe. Einerseits liegt vor uns ein Dokument der Ethikkommission, die im Einvernehmen mit Dekan Kouba einstimmig empfiehlt, ein Disziplinarverfahren gegen die Kollegen Zástava und Nehezký wegen Datenfälschung einzuleiten.
Boubatý: Und andererseits?
Rektor: Andererseits haben wir das neu gegründete Zentrum KAKA. Und die überhöhten Anforderungen bei der Vermögensaufteilung zwischen dem Zentrum und Universität. Wenn Zástava und Nehezký ihre Publikationen nicht als kugelsicheren Schutzschild zur Schau stellen würden, hätten sie nicht eine so starke Unterstützung ihrer Kollegen.
Boubatý: Aber sie verwenden es als Zeichen ihres wissenschaftlichen Niveaus.
Rektor: Ja, auch in unserer Fakultät. Das ist eben das Problem. Wie geht es weiter? Der Dekan besteht darauf, dass sich die Universität und die Wissenschaftler klar von jedem Korruptionsverdacht distanzieren müssen. Wenn wir den Gründer von KAKA wegen Datenfälschung vor ein akademisches Gericht bringen, wofür wir keine handfesten Beweise haben, dann ist die Universität der Verlierer und KAKA schnappt sich den Löwenanteil des Eigentums.
       (Mitglieder des Akademischen Senats gehen langsam weg,
      einer nach dem anderen.
      Nur der erschütterte Rektor bleibt am Tisch sitzen.)
Rektor: Worauf habe ich mich da eingelassen? Das ist eine teuflisch verflixte Situation.
       (Der Teufel kommt von hinten.)
Teufel: Genau meine Rede. Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Was haben wir da? Einen Dekan, der ethische Prinzipien über alles erhebt. Wie viele Leute stehen hinter ihm?
Rektor: Nun, vielleicht ein paar Physiker. Mehr nicht.
Teufel: Dann kann er Dir also nichts anhaben. Anderseits haben wir die Leute, die aus der E.U. Unterstützung für ihr neues Zentrum heraufbeschworen haben. Unter Wissenschaftlern sind die ganz bekannt. Auch wenn sie ihren Ruhm durch eine gafälschte Publikation erreicht haben.
Rektor: Aber darum geht es doch!
Teufel: Das interessiert niemand. Zástava und Nehezký repräsentieren das Zentrum und genießen eine grosse Unterstützung, vor allem wegen ihrem Einfluss. Diese Unterstützung haben sie von der Mehrheit ihrer Kollegen. Sie verfolgen ihr Ziel und räumen alle Gegner einfach weg. Sie haben auch ziemlich lange Finger. Denen willst du dich stellen?
Rektor: Das möchte ich am liebsten vermeiden.
Teufel: Also nimm meinen Rat. Du feuerst den Dekan und machst Zástava und Nehezký eine Freude. Die Fakultät wird Dir beistimmen und der lokale Streit wird sich legen. Du wirst sehen!


10. Szene: Gespräch des Rektors mit dem Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät dessen Entlassung von der Pawlowsky Universität

Hinter dem Schreibtisch sitzt der Rektor der Pawlowsky Universität. Dekan Kouba sitzt auf der anderen Seite des Tisches.

Rektor: Zuerst möchte ich mich, lieber Kollege, bei Dir für Deinen Einsatz als Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät unserer Universität herzlich bedanken.
Kouba: Wovon redest Du, bitte?
Rektor: Gespräche zwischen Verträtern unserer Universität und dem KAKA- Zentrum sind stecken geblieben. Wir haben versucht, die Meinungenen auf verschiedene Weise zusammenzubringen, aber ohne Erfolg. Ich weiß, dass es Dir darum geht, Verstöße gegen die wissenschaftliche Integrität zu ahnden.
Kouba: Ja, aber ist es nicht das Wichtigste an der Uni? Wenn wir die Wahrheit nicht verteidigen   wer übernimmt diese Aufgabe von uns?
Rektor: Sicher, Du hast recht. Aber für uns an der Universität geht es ums Überleben. Ob die Ursache der Spaltung zwischen dem KAKA-Zentrum und der Fakultät ein ethischer Verstoß oder ein Streit um die Eigentumsverteilung ist – wir müssen dieser Spaltung Herr werden, oder unsere Universität wird auseinanderfallen. Und Du bestehst in Deiner Funktion als Dekan weiterhin auf Deiner Position als Schutzengel der Wahrheit, welche niemanden interessiert.
Kouba: Glaubst Du wirklich, Kollege Rektor, dass niemand?
Rektor: Wie dem auch sei, ich muss der ganzen Universität zuliebe pragmatisch sein. Und deshalb entlasse ich Dich, Kollege Kouba, von Deinem Amt als Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Pawlowsky Universität.


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